Die Umsetzung der Work-Life-Balance Richtlinie in Österreich

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Die Umsetzung der Work-Life-Balance Richtlinie (EU-RL 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige)  in Österreich und ihre Auswirkung auf das Mutterschutz- und Väterkarenzgesetz sowie das Gleichbehandlungsgesetz: Ziel der Work-Life-Balance Richtlinie ist, durch neue Rahmenbedingungen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben für erwerbstätige Eltern und pflegende Angehörige zu erreichen sowie die Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung zu steigern. Dazu legt die Richtlinie gewisse Mindeststandards fest. Der nachstehende Artikel soll die Änderungen im Bereich des Mutterschutz- und Väterkarenzgesetzes sowie im Bereich des Gleichbehandlungsgesetzes skizzieren. Die Neuerungen treten mit 1. November 2023 in Kraft und sind auf Eltern anwendbar, deren Kinder ab diesem Tag geboren werden. Für die Bestimmungen zur Elternteilzeit wurde ebenfalls ein Inkrafttreten mit 1. November 2023 vorgesehen, allerdings sind die Änderungen bereits auf Eltern anwendbar, die die Absicht der Elternteilzeit ab dem 1. November 2023 ihrem Dienstgeber bekanntgeben.

Im Juni 2019 wurde die sogenannte Work-Life-Balance Richtlinie beschlossen. Österreich war in der Umsetzung säumig. Nunmehr wurde in der Plenarsitzung vom 20. September 2023 der eingebrachte Gesetzesvorschlag zur Umsetzung der Work-Life-Balance Richtlinie vom Nationalrat beschlossen (801/BNR 27. GP).

Welche Auswirkungen haben die beschlossenen Änderungen im Konkreten auf die derzeitigen Elternkarenz- und Elternteilzeitregelungen?

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1. Verkürzung der Elternkarenz auf 22 Monate

Art. 5 Abs. 2 der Work-Life-Balance Richtlinie sichert jedem Elternteil einen unübertragbaren Elternurlaub von zwei Monaten zu. Österreich hat die Umsetzung dieser Bestimmung in Form einer gesetzlichen Kürzung des Karenzanspruches vorgenommen. Ein Elternteil hat somit nur noch bis zum Ablauf des 22. Lebensmonats des Kindes einen Elternkarenzanspruch. Einen Anspruch auf die volle Karenzdauer (= bis zum vollendeten 24. Lebensmonats des Kindes) besteht nur noch, wenn

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    • die Karenz zwischen den Eltern geteilt wird, wobei die Karenzzeit jedes Elternteils mind. 2 Monate betragen muss (§ 15a Abs. 1 MSchG bzw. § 3 Abs. 1 VKG nF), oder
    • ein Elternteil alleinerziehend ist. Als alleinerziehend gilt ein Elternteil gemäß § 15 Abs. 1a MSchG bzw. § 2 Abs. 1a VKG (jeweils nF), wenn kein anderer Elternteil vorhanden ist oder der andere Elternteil nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Alleinerziehende haben das Vorliegen dieser Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen.
    • der andere Elternteil keinen Anspruch auf Karenz hat (z.B. Selbständige oder Arbeitslose) und der Karenz in Anspruch nehmende Elternteil seinen Karenzantritt frühstens nach Ablauf von zwei Monaten ab dem Ende des im jeweiligen Anlassfall maßgeblichen Beschäftigungsverbotes (8, 12 oder 16 Wochen nach Entbindung) meldet (§ 15 Abs. 3a MSchG bzw. § 2 Abs. 5a VKG nF). Würde der unselbständig tätige Elternteil seinen Karenzanspruch früher melden, käme es zu keiner Verlängerung des Karenzanspruches. Offenbar soll damit verhindert werden, dass ein zu langer Zeitraum zwischen Meldung und Karenzantritt besteht, in welchem sich in der Sphäre des anderen Elternteiles gelegene Umstände ändern können, wie bspw. durch Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit.

2. Änderungen bei der aufgeschobenen Karenz

Die aufgeschobene Karenz stellt eine Sonderform der Karenz dar, welche in der Praxis allerdings kaum Bedeutung hat. Anstatt den Karenzgesamtanspruch voll zu konsumieren, kann jeder Elternteil mit dem Dienstgeber vereinbaren, dass drei Monate bis zum siebten Geburtstag des Kindes aufgespart werden. In Zusammenhang mit der aufgeschobenen Karenz kommt es zu folgenden Änderungen:

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    • Der Dienstgeber muss, wenn er den Karenzaufschiebungswunsch bzw. den Antrittszeitpunkt des Elternteils ablehnt, die Ablehnung schriftlich begründen, sofern binnen zwei Wochen ab Bekanntgabe des Antrittswunsches bzw. des Antrittszeitpunktes keine Einigung zwischen Elternteil und Dienstgeber zustande kommt (§15b Abs. 3 und Abs. 4 MSchG bzw. § 4 Abs. 3 und Abs. 4 VKG nF). 
    • Zusätzlich wird ein neuer Motivkündigungsschutz geschaffen: Eine Kündigung wegen einer beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch genommenen aufgeschobenen Karenz kann als motivwidrige Kündigung beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten werden. Bevor der Elternteil die Klage einbringt, kann er innerhalb von fünf Tagen, nachdem er die Kündigung vom Dienstgeber erhalten hat, von diesem eine schriftliche Begründung der Kündigung verlangen. Durch die Begründung der Kündigung soll der Elternteil das Prozessrisiko einer Kündigungsanfechtung besser einschätzen können. Wird keine schriftliche Begründung übermittelt, hat dies allerdings keine Auswirkungen auf die Rechtswirksamkeit der Kündigung (§ 15b Abs. 7 MSchG bzw. § 4 Abs. 6a VKG nF).
    • Aufgrund der unterschiedlichen Anspruchsdauer von Elternkarenz (22 oder 24 Monate) war außerdem eine Präzisierung dahingehend erforderlich, dass bei aufgeschobener Karenz die reguläre Karenz – abhängig vom konkreten Karenzanspruch – spätestens mit Ablauf des 19. oder des 21. Lebensmonats endet bzw. sofern auch der Vater aufgeschobene Karenz in Anspruch nimmt, mit Ablauf des 18. Lebensmonats endet. Hintergrund dieser Regelung ist eben, dass bei der aufgeschobenen Karenz drei Monate vom Karenzanspruch aufgespart und zu einem späteren Zeitpunkt konsumiert werden, daher verkürzt sich der reguläre Karenzanspruch um diesen aufgesparten 3-Monatszeitraum.

3. Elternteilzeit bis zum vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes und Begründungspflicht des Dienstgebers bei Ablehnung des Elternteilzeitwunsches bei fehlendem Anspruch auf Elternteilzeit

Nach der Work-Life-Balance Richtlinie muss es bis zum vollendeten achten Lebensjahr des Kindes eine flexible Arbeitszeitregelung geben (Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie). Die Elternteilzeit kann künftig ebenfalls bis zum Ablauf des achten Lebensjahres in Anspruch genommen werden. Im Bereich der Anspruchsvariante (=“große Elternteilzeit“; mind. 3-jährige ununterbrochene Betriebszugehörigkeit und Unternehmen mit (regelmäßig) mehr als 20 Dienstnehmern) ist die Elternteilzeit allerdings mit einem Höchstausmaß von sieben Jahren begrenzt (§ 15h Abs. 1 MSchG bzw. 8 Abs. 1 VKG jeweils nF). Zeiten des Beschäftigungsverbotes (Mutterschutz) nach Geburt und Karenzzeiten (von beiden Elternteilen) für dasselbe Kind sind davon in Abzug zu bringen. Allerdings ist jener Zeitraum hinzuzurechnen, der zwischen der Vollendung des siebten Lebensjahres und dem späteren Schuleintritt liegt, womit – wie bisher – sichergestellt wird, dass weiterhin Elternteilzeit bis zum Schuleintritt, welcher einige Tage nach dem siebten Geburtstag liegen kann, möglich ist.

Im Bereich der Vereinbarungsvariante (= „kleine Elternteilzeit“; Betriebszugehörigkeit von weniger als 3 Jahren oder Unternehmen mit max. 20 Dienstnehmern) gilt selbiges, allerdings mit dem Unterschied, dass der Initiativantrag kein Höchstausmaß von sieben Jahren vorsieht (§ 15i MSchG bzw. § 8a VKG nF), sodass vereinbarte Elternteilzeit bis zum achten Geburtstag vereinbart werden könnte. Zusätzlich besteht künftig eine Begründungspflicht für den Dienstgeber, falls die begehrte Elternteilzeit abgelehnt wird (§ 15l Abs. 1 MSchG bzw. § 8d Abs. 1 VKG nF).

  1.  

4. Änderung bei Motivkündigung wegen Elternteilzeit nach dem 4. Lebensjahr des Kindes

Das Gesetz sah schon bisher einen Motivkündigungsschutz für Kündigungen wegen einer beabsichtigten oder tatsächlich nach dem 4. Lebensjahr des Kindes genommene Elternteilzeit vor. Ab 1. November 2023 muss der Dienstgeber – wie bei der aufgeschobenen Karenz – Kündigungen über entsprechendes Verlangen eines Elternteils binnen fünf Tagen nach erfolgter Kündigung schriftlich begründen. Kommt der Dienstgeber diesem Begehren nicht nach, führt dies allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Wie bei der aufgeschobenen Karenz soll der betroffene Elternteil dadurch lediglich die Möglichkeit erhalten seine Prozesschancen besser einzuschätzen (§ 15n Abs. 2 MSchG bzw. § 8f Abs. 2 VKG nF).   

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5. Ablaufhemmung

Der Ablauf von laufenden gesetzlichen, kollektivvertraglichen und vertraglichen Verjährungs- und Verfallsfristen betreffend Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die der Elternteil zu Beginn der Freistellung anlässlich der Geburt (Papamonat) oder der Elternkarenz erworben hat, ist zukünftig bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Ende der Freistellung oder der Elternkarenz gehemmt (§ 15f Abs. 1a MSchG bzw. § 7d VKG nF). Dadurch soll dem Elternteil ermöglicht werden, dass er seine Ansprüche nicht bereits am ersten Tag der Rückkehr geltend machen muss.

Erweiterung des Diskriminierungsschutzes: Welche Änderungen ergeben sich dadurch im Bereich des Gleichbehandlungsgesetzes?

Das Gleichbehandlungsgesetz wird zukünftig auch dann zur Anwendung kommen, wenn eine Person in Zusammenhang mit folgenden Maßnahmen diskriminiert wird (§ 5a GlBG nF):

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    • Papamonat, Elternkarenz und Elternteilzeit
    • Pflegefreistellung nach § 16 UrlG
    • Betreuungsteilzeit (§ 14 Abs. 1 Z 2 AVRAG)
    • Freistellungen bei dringenden familiären Dienstverhinderungsgründen infolge Erkrankung oder Unfall

Für eine Diskriminierung in Zusammenhang mit einer der zuvor aufgezählten Maßnahme muss auch nicht zusätzlich der Diskriminierungsgrund Geschlecht vorliegen. Dies bedeutet, dass der Grund für die Benachteiligung nicht im Geschlecht der betroffenen Person liegen muss, wiewohl vielen Differenzierungen wohl immer (auch) eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zugrunde liegen wird.  

Durch diese Ergänzung kommen nicht nur die Rechtsfolgen des § 12 GlBG zur Anwendung, sondern sind auch die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Gleichbehandlungskommission für derartige Diskriminierungsfälle zuständig.  

Fazit: Die Verkürzung des Karenzanspruches auf 22 Monate ist sicherlich als die umstrittenste Änderung anzusehen. Als Dienstgeber kann man jedenfalls grundsätzlich von einem 22-monatigen Karenzanspruch ausgehen. Für die Inanspruchnahme des erhöhten Karenzausmaßes von 24 Monaten bedarf es des Hinzutretens weiterer Informationen durch den betreffenden Elternteil.

Im Bereich der Elternteilzeit muss insbesondere im Anwendungsbereich der Vereinbarungsvariante darauf geachtet werden, dass bislang nur eine Elternteilzeit bis zum 4. Geburtstag möglich war. Die künftigen Änderungen führen damit jedenfalls zu einer Besserstellung, da es nicht nur zu einer Verlängerung des zeitlich möglichen Rahmens kommt, sondern hinkünftig auch eine Begründungspflicht für den Dienstgeber besteht, falls die begehrte Elternteilzeit abgelehnt wird.

Ob durch die Erweiterung des Diskriminierungsschutzes und der Entkoppelung vom Geschlecht behauptete Diskriminierungen im Arbeitsverhältnis (gerade auch von Vätern) zunehmen, wird sich zeigen.

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Mag. Christina Schrott
Juristin bei EY Law in Salzburg | Arbeitsrecht
christina.schrott@eylaw.at

 

 

 

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