1. Informationsfreiheit als Obliegenheit für informationspflichtige Stellen
Seit dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) am 1. September 2025 werden die lange diskutierten Neuerungen erstmals konkret spürbar. Für informationspflichtige Stellen beginnt damit eine Phase, in der rechtliche Vorgaben, organisatorische Abläufe und technische Anforderungen neu zusammengedacht werden müssen und in der viele praktische Fragen weiterhin offen sind.Grundsätzlich sieht das IFG die Veröffentlichung von Informationen von allgemeinem Interesse und den Zugang zu Informationen im Wirkungs- oder Geschäftsbereich von informationspflichtigen Stellen vor. Zu beachten ist, dass sogenannte private Informationspflichtige nur vom antragsbezogenen Informationszugang erfasst sind. Eine eigenständige Veröffentlichungspflicht trifft sie, anders als staatliche Stellen, nicht.
Der Kreis informationspflichtiger öffentlicher Stellen – wie Gebietskörperschaften, sonstige gesetzliche Selbstverwaltungskörper, oder rechnungshofkontrollpflichtige Unternehmungen – ist in §§ 1, 13 IFG abschließend geregelt; börsennotierte Gesellschaften und davon abhängige Unternehmungen sind jedoch vom IFG nicht erfasst.
Die proaktive Informationspflicht (vgl 2. Abschnitt IFG) und der verfassungsgesetzlich garantierte Zugang zu Informationen (vgl 3. Abschnitt IFG; Art 22a Abs 2 und Abs 3 B-VG) unterliegen diversen Schranken. Dazu zählen insbesondere verfassungsrechtliche Geheimhaltungsgründe, wie der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Das neue Transparenzregime nach B-VG bzw. IFG ist offenkundig und voraussichtlich stark einzelfallbezogen auslegungsbedürftig. Bis dato fehlt Rechtsprechung zu wesentlichen und jüngst in Kraft getretenen Transparenzbestimmungen, insbesondere dazu,
- welche Schutzvorkehrungen vom betroffenen Unternehmer und/oder von einer informationspflichtigen Stelle zu treffen sind, damit berechtigte Geschäftsgeheimnisse des Unternehmers bzw. Vertragspartners, oder personenbezogene Daten hinreichend und rechtzeitig (etwa durch Schwärzungen) geschützt sind;
- in welchem Umfang Informationen in der zu übermittelnden Aufzeichnung zulässigerweise geschwärzt werden dürfen; und
- ob und inwiefern eine Aufbereitung der Information zusätzlich, oder gar statt eines unmittelbaren Zugangs zu Originalen bzw. Kopien davon erforderlich ist.
Diese Artikelreihe widmet sich der Informationsfreiheit aus der Sicht davon betroffener Unternehmer; einerseits in ihrer Rolle als informationspflichtige Stelle (1. Teil), andererseits in Situationen, in denen Informationen über das Unternehmen veröffentlicht werden sollen (2. Teil). Schließlich wird auf wichtige To-dos in der optimierten Vor- und Aufbereitung ihrer Organisation auf die neuen Informationsvorgaben (3. Teil) hingewiesen.
1.1 Der zentrale Mechanismus: Proaktive Veröffentlichung im digitalen Informationsregister
Kernstück des neuen Transparenzregimes ist die proaktive Informationspflicht (§ 4 IFG) und die Anbindung an das elektronische Informationsregister (§ 5 IFG). Informationen von allgemeinem Interesse – etwa Geschäftsordnungen, Tätigkeitsberichte, Studien, Gutachten, Stellungnahmen und Verträge, letztere jedenfalls im Wert ab EUR 100.000,00 – sind „in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise“ sowie barrierefrei (siehe Web-Zugänglichkeits-Gesetz, idF BGBl I Nr 59/2019) zu veröffentlichen.Seit 1. Dezember 2025 gilt, dass Informationen von allgemeinem Interesse über die Domain data.gv.at (Open Data Österreich) zugänglich gemacht werden müssen. Von dieser Veröffentlichung sind jedoch jene Bereiche, in denen bereits besondere öffentliche elektronische Register gesetzlich vorgesehen sind (etwa nach dem Transparenzdatenbankgesetz 2012 – TDBG 2012, idF BGBl I Nr 50/2025, GISA, RIS, Firmenbuch), ausgenommen. Eine freiwillige ergänzende Verlinkung dieser Inhalte im Informationsregister bleibt jedoch möglich.
Wichtig: Abweichend von dieser proaktiven ehestmöglichen und potenziell dauerhaften online Veröffentlichung, ist die antragsbezogene Information nicht auf jene von allgemeinem Interesse eingeschränkt. Demnach ist jede Aufzeichnung, die amtlichen oder unternehmerischen Zwecken dient, im Geschäftsbereich einer informationspflichtigen Stelle auskunftspflichtig.
Zu bedenken ist stets, dass das soeben skizzierte Transparenzregime dem verfassungsgesetzlich inhärenten Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegt, wonach Einschränkungen der gebotenen Transparenz – in zeitlicher und inhaltlicher Art und Weise – im Rahmen einer Interessensabwägung wegen vorrangiger Geheimhaltungs- oder Wettbewerbsgesichtspunkte (vgl §§ 6, 13 IFG) zwingend zu berücksichtigen sind.
1.2 Wer wird zum Vorhang gebeten? Strittige Fragen zum Kreis der Verpflichteten
Die Informationspflichten nach dem IFG treffen nicht nur klassische öffentliche Stellen, sondern auch private Rechtsträger, die Verwaltungsaufgaben erfüllen oder der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. Sie müssen sich sowohl auf die Erteilung von Informationen als auch auf die Ausstellung von Informationsverweigerungsbescheiden vorbereiten (§§ 11–14 IFG).Besonders heikel ist, den Umfang der Verpflichtung bei Einrichtungen öffentlichen Rechts und öffentlichen Unternehmen abzugrenzen. Ungeklärt ist, ob die Informationspflicht den gesamten Rechtsträger erfasst, oder nur jene Tätigkeiten, die der Besorgung von Verwaltungsaufgaben zuzurechnen sind. Denkbar ist eine „rechtsträgerbezogene Sichtweise“, nach der bereits die Übertragung einzelner Verwaltungsaufgaben die Einrichtung insgesamt den Informationspflichten nach Art 22a Abs 1 und 2 B-VG unterstellt. Ebenso lässt sich eine „tätigkeitsbezogene Interpretation“ vertreten, wonach nur die Verwaltungstätigkeiten erfasst sind, während erwerbswirtschaftliche Bereiche als solche einer „privaten Informationspflichtigen“ nach Art 22a Abs 3 B-VG gelten – einschließlich des Geheimhaltungsgrundes der Wettbewerbsfähigkeit (§ 13 Abs 2 IFG).
Diese Unklarheiten zeigen, dass der Kreis der Verpflichteten nicht nur weit, sondern auch auslegungsbedürftig ist. Unternehmen sollten daher frühzeitig prüfen, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind, um rechtliche Risiken und operative Überraschungen zu vermeiden.
1.3 Recap: Wichtige Fragen, die sich für Unternehmer stellen
- Wer trägt die Verantwortung für die fristgerechte Veröffentlichung und die Anbindung an das Register?
- Welche internen Prozesse müssen sofort angepasst werden, um die vierwöchige Frist für Auskunftsbegehren einzuhalten?
- Wie weit reicht die Transparenzpflicht: Müssen auch sensible Vertragsdetails offengelegt werden, und wenn ja, in welcher Form?
- Ist das neue Transparenzregime ein Schritt in Richtung „gläsernes Unternehmen“ – und wie viel Spielraum bleibt für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen?
- Wer ist (primär) verantwortlich, dass Information nur im erforderlichen Ausmaß und damit etwa unter Einhaltung legitimer Geheimhaltungsgründe (pro- oder reaktiv) veröffentlicht werden?
- Welche Vereinbarungen sind (bei Geschäftsanbahnung) zweckdienlich, um der gesetzlich gebotenen Interessensabwägung hinreichend zu entsprechen?
Dr. Andreas Lopatka-Sint
ist Rechtsanwalt bei EY Law Austria. Er ist spezialisiert auf Verfassungs- und Verwaltungsrecht, öffentliches Wirtschaftsrecht, Datenschutz, Energie- und Umweltrecht sowie Staatsbürgerschaftsrecht.
Gabriela Kaiser, LL.M. (WU)
ist Rechtsanwaltsanwärterin bei EY Law Austria. Sie ist spezialisiert auf öffentliches Wirtschaftsrecht, Vergaberecht und Kapitalmarktrecht.
Mag. Christian Zimmer
ist Rechtsanwalt bei EY Law Austria. Er ist spezialisiert auf Vergaberecht, öffentliches Wirtschaftsrecht, Beihilfenrecht und Vertragsgestaltung.
- Teil 2 der Artikelreihe IFG: Informationsfreiheit vs. Unternehmertum. Ein Missverständnis? ab 09.12.
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